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Alkamar, the village in the moonlight
Christ Church

Christ Church of Spitalfields

Marrys Augen strahlten grün, Sommersprossen tanzten auf ihrer Nase und das Haar hing in kupferroten Locken um ihr Gesicht. Das geflickte Kleid hatte eine Wäsche nötig, aber ihre Hüften wiegten sich lustig und die Stiefelettenabsätze klackerten über das Kopfsteinpflaster.

An der Ecke vom Kirchplatz lag die Schankstube Zehn Glocken. Vor dreckigen Fenster waren geriffelte Glasscheiben. Von den braunen Wänden und den grünen Leisten blätterte die Farbe ab.

Ein paar Männer drehten ihre Köpfe und pfiffen Marry hinterher, aber sie richtete sich kerzengerade auf und öffnete die Tür, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Wartet nur, ihr. Ich bin für etwas besseres bestimmt.

In einer der Nischen saßen Lange-Liss, Marja Magdala und Schwarz-Anna, drei Frauen in den Vierzigern. Sie waren eingepackt in lange Wollröcke, Herrenmäntel, Wollschals und Hüte, die weder Schleier noch Federn schmückten. Die drei nickten Marry zu, aber sie fegte durchs Lokal und stellte sich an den Tresen.

"Dich kenn' ich nicht! Komm her, Süße! Kümmer' dich nicht um die armen Teufel hier. Komm zu Benny!" Die Stimme gehörte einem breitschultrigen Mann in dunklem Wollmantel und mit schwarzem Filzhut.

Marry hob stolz den Kopf, aber ihre Augen funkelten.

"Wie heißt du, Süße?"

"Ich heiße Miriam," sagte sie, "denn meine Mutter Anna taufte mich nach dem Mond, und Miriam ist der Name des Mondes."

"Hör nicht auf sie," schnaubte Lange-Liss. "Sie tut immer so fein, aber sie heißt Marry Gyp. Das mit dem Mond ist nur Spinnerei, und Eltern hat sie auch keine."

Schwarz-Anna gackerte. "Es ist nur ein paar Jahre her, da kam sie mit Zigeunern hier bei der Weißkirke an. Marry Gyp ist gut genug für sie."

Marry lächelte und blinzelte Benny zu.

"Komm her, Marry", sagte er. "Wenn du nur nett zu mir bist, dann werd' ich schon gut auf dich aufpassen."

Sie schlängelte sich in die Nische und er legte seinen Arm um ihre Schultern.

"Jill! Einen Dandy für mich und ein Glas Mondschein für Marry!"

Die Frau hinter dem Tresen brachte einen Brandy und einen Gin.

"Runter durch die Rote Pforte!" Benny schluckte den Drink und rülpste laut.

Die Leute lachten. Sie lachten über alles, was Benny sagte, egal was es war. Er schenkte ihnen einen herablassenden Blick, wandte sich dann Marry zu und legte eine wuchtige Hand auf ihren Schenkel.

"Hast du Lust auf was zu Essen? Oder hast du Lust auf ganz andere Sachen?"

Marry lächelte und fingerte an den Knöpfen seines Mantels herum.

Benny schnippte mit den Fingern und brüllte, und bald standen Teller mit Fisch auf dem Tisch. Marry schaufelte sich das Essen mit den Fingern in den Mund.


Später am Nachmittag saß sie auf Bennys Schoß und flüsterte ihm ins Ohr. Falls er bemerkte, daß ihre Finger auf der Suche nach losen Münzen durch seine Manteltaschen wanderten, so machte das nichts.

"Wenn du nett zu mir bist, Marry, dann wird sich alles regeln."

Sie kicherte und steckte ein paar Kupferstücke ein.

"Aber jetzt ruft die Pflicht, meine Liebe! Zeit, die Bordsteinmiete wieder einzutreiben," sagte er grinsend. "Das Geschäftsleben ist gnadenlos."

Alle lachten.

Benny erhob sich aus der Nische, stapfte breitbeinig durch den Raum und drehte sich an der Tür um. "Vergiß nicht, was ich gesagt habe. Wenn du nur nett zu Benny bist, wird sich alles regeln!" Es war etwas Hartes und Kaltes in seinen Augen und er sprach laut, damit alle es hörten. "Du gehörst mir, Marry. Wir treffen uns morgen hier."

Die Tür schlug hinter ihm zu.

"Pfui Deer."

Die Tür schlug hinter ihm zu.

"Pfui Deibel!" Schwarz-Anna spückte sich über die Schulter. "Den Kerl mußt du dir weit vom Leib halten, Marry. Eine arme Erwerbstätige kann nicht mal im Stehen in einer Gasse einen Trippence verdienen, ohne daß er da steht und Bordsteinmiete verlangt."

"Aber warum bezahlt ihr?" fragte Marry.

Schwarz-Anna senkte den Blick. "Wenn er sonst seine Bande auf uns losläßt? Vor kurzem hat Benny die arme Emma böse zugerichtet, weil sie kein Geld hatte. Ihr das Gesicht zerschnitten. Wie soll sie jetzt Kunden ranschaffen?"

Die Leute im Zehn Glocken begannen, über lustigere Dinge zu reden. Wen kümmerte schon eine Straßenhure, der sie ein bißchen die Visage angeritzt hatten? Die sahen sowieso schon schlimm genug aus und konnten nicht mehr häßlicher werden. Und niemand wollte sich mit der Bande von der Weißkirke anlegen.

"Warum suchst du dir nicht einen Job wie ordentliche Leute?" fragte Marja aus der Nische nebenan.

"Mußt du grad' fragen," lachte Marry. "Soviel ich weiß hat dir der Armenfogd eine Stelle als Sklavin bei einer Kaufmannsfamilie in der Weststadt besorgt. Ich hab' gehört, du hättest Fußböden gescheuert und Tag und Nacht Wäsche gewaschen und über Töpfen gehangen. Was hast du dafür bekommen? Zwei Mahlzeiten am Tag und eine Nacht auf dem Boden beim Küchenofen. Und jetzt bist du wieder hier."

Marry lachte und reckte die sommersprossige Nase in die Luft. "Ich werde nicht Tag und Nacht Streichholzschachteln falten, um nicht mal genug Geld für die Miete zusammenzukratzen. Oder in der Töpferei Bleistaub einatmen, bis der Gaumen anschwillt und die Lungen zusammenklappen? Hah! Ich bin für was besseres bestimmt! Wartet's nur ab!"

In der Nische nebenan schüttelten die Frauen die Köpfe. "Wir kennen dich. Wenn du lange nichts gegessen hast, dann bist du dir nicht zu fein für eine Runde im Hauseingang. Du bist nicht besser als wir."

"Ihr geht mit jedem X-beliebigen für ein paar Kupferlinge," schnaubte Marry. "Ich kriege einen Schein. Und ich wähle selbst, mit wem ich gehe!"

"Bald wirst du bei den Männern nicht mehr so wählerisch sein," sagte Marja. "Dann pfeifst du auf einem anderen Loch."

Plötzlich wurde es still im Zehn Glocken. Ein bleicher Mann mit einem schwarzen Köter im Schlepptau schob sich zwischen den Tischen hindurch.

Marry lachte laut. "Habt ihr schon mal so was Häßliches gesehen?"

Josef blieb vor ihr stehen. "Kommst du mit mir, Miriam?"

"Nein, danke, da halte ich mich lieber mit einem Schluck Laudanum warm." Marry kehrte ihm den Rücken zu.

"Es ist kalt draußen," flüsterte Josef.

"Warum kommst du mit deinem Hundemonster hier an und erschreckst alle? Glaubst, du, ich gehöre dir, nur weil ich ein paarmal mit dir nach Hause gekommen bin?"

Im Zehn Glocken hielten alle die Luft an. So wagte sonst niemand zu Josef zu sprechen. Aber er stand nur mit hängenden Armen da.

"Hast du Geld?" fragte Marry schließlich. "Ich habe eine Idee, wie ich meinen eigenen Laden aufmachen kann. Ich muß dafür Geld leihen."

"Was willst du machen?" fragten die anderen Frauen neugierig. "Erzähl!"

Marry lächelte und wollte nichts sagen. "Wartet nur, ich bin zu was Besserem bestimmt."

Marry richtet sich stolz auf. "Ich werde mitkommen. Aber du weißt, daß ich es nicht mag, wenn man mich hier stört. Das ist das letzte Ms ist das letzte Mal, daß du herkommst! Wenn ich was von dir will, finde ich dich schon selbst."

Er antwortete nicht.

Marry stand auf und fegte aus dem Zehn Glocken. Josef verschwand hinter ihr her ohne die anderen anzusehen.

"Warum spielt Marry Gyp sich so auf?" Lange Liss schüttelte den Kopf. "Sie ist keinen Deut besser als wir. Soll nur froh sein, daß sie jemand haben will. Sie besteht ja nur aus Schultern, Knien und Ellenbogen."

"Daß überhaupt jemand für so einen mageren Hungerhaken bezahlen will. Der Dummkopf von Josef wird anscheinend mit jeder Beleidigung nur treuer," sagte Schwarz-Anna.

"Davon ganz abgesehen, Josef ist ja auch nicht gerade ein toller Fang. Er ist Geldeintreiber und ein Mörder und noch Schlimmeres," flüsterte Marja. "Eines Tages kriegt sie sein Messer zu spüren. Ich sag' es euch!"


Am nächsten Morgen lieh sich Marry von Josef einen Zweischilling, quittierte ihn mit einem Lächeln und investierte das Kapital in einen Korb roter Rosen. An diesem Nachmittag spaziertem Nachmittag spazierte sie durch die Straßen um der Weißkirke mit dem Korb unter dem Arm. Wenn Männer vorbeigingen, ohne zu kaufen, lachte sie und spazierte weiter.

Als der Abendnebel dichter wurde, setzte sie sich auf eine Bank an der Kirche und warf den Korb mit den zerzausten Rosen von sich. Ihr Magen jammerte nach Essen und ihre Füße schmerzten vom Laufen. Sie konnte wohl ein wenig auf der Bank sitzen. Wenn jemand Rosen kaufen wollte, sollte er zu ihr kommen.

Marry saß mehrere Stunden da, ohne daß jemand stehenblieb. Der Kopf sackte ihr langsam auf die Schultern. Obwohl die Nacht kalt zu werden versprach, zog sie den zerschlissenen Mantel enger um sich und wartete. Vielleicht konnte sie ein paar Nachtvögel dazu verführen, einen Strauß zu kaufen?


Es war als poltere eine Lawine leerer Tonnen über das Pflaster. Marry zuckte zusammen und sah sich erschrocken um, während der Lärm näher kam. Vier kohlschwarze Pferde zogen eine glänzende schwarze Galakutsche aus dem Nebel, und die Hufe schlugen Funken, als der Wagen stopte. Sie und der Wagen waren allein bei der Kirche. Im Nebel schien es, als hätten die Pfauml;tten die Pferde keine Köpfe, aber das konnte doch nicht sein?

Auf dem Kutschbock saß eine bemantelte Gestalt und krümmte sich gegen die Nacht und den Nebel. Sie versuchte, das Gesicht zu erkennen, aber es war, als schwebe der Lumpenmantel um einen dunklen leeren Raum.

Die Tür knarrte. Eine Öllampe hing unter dem Dach in der Kutsche, und in deren Licht stand ein schmächtiger Mann. "Es ist kalt draußen," sagte er ruhig. "Willst du dich nicht ein wenig aufwärmen?"

Nein, antwortete Marry, aber sie sprach es wohl doch nicht aus, denn ihr Mund war geschlossen. Wie im Schlaf stand sie auf und ließ den Rosenkorb liegen. Sie stolperte zum Wagen und kletterte die Stufen hinauf. Der Mann schloß die Tür, bürstete ein Staubkorn vom Sitz und bat sie, sich zu setzen.

Marry setzte sich und ließ ihren Blick über Dach und Wände der Kutsche gleiten. Geschnitzte Weinranken mit Trauben wanden sich an den goldenen Leisten entlang. An den Wänden hingen blutrote Tücher als Seidenssamt herunter und die Sitze waren mit dem gleichen Stoff überzogen.

Die Kutsche rollte vorwärts und Marry betrachtete den Mann verstohlen. Sein bleiches Gesicht war frei von Falten, aber die Augen wirkten alt. Sten alt. Sein Haar war dunkel und gepflegt und er hatte Geheimratsecken in der hohen Stirn. Ein paar bleicher Hände ruhten auf einem knorrigen Eichenstock mit schlangenförmigem Bronzegriff. In den Falten der rabenschwarzen Seidenjacke schimmerten alle Farben des Regenbogens.

Sie fühlte ein süßes Kribbeln im Bauch bei dem Gedanken daran, was der Wagen und die Kleider wohl kosten mochten. Marrys Finger spielten mit ihrer Perlenkette und sie bemühte sich, den Ausschnitt ihres Kleides weiter herunterzuziehen. Sie wand sich ein wenig auf dem Sitz, so daß ihr Rocksaum hochrutschte. Die ausgetretenen, grünen Steifeletten waren ungeputzt, aber sie wollte ihre Beine zeigen. Ihr kupferrotes Haar war in Locken um gelbe Stoffstreifen gebunden, aber nach der ganzen Herumspaziererei war von der Frisur sicher nicht mehr viel übrig. Sie schob eine feuchte Locke hinter dem Ohr zurecht.

"Wo willst du es tun?" Sie leckte sich über die Lippen und lächelte schelmisch. "Hier drinnen? Willst du ein Zimmer mieten? Oder hast du vielleicht ein Haus?"

"Ich glaube, letzteres." Die dunklen Augen glänzten vor Belustigung und er lächelte. "Aber willst du dich nicht erst einmal vorstellen?"

Das Lächeln ließ Marry erröten. "n. "Ich heiße Miriam." Sie setzte sich gerade auf und ließ ihre Stimme formell klingen. "Meine Mutter Anna taufte mich nach dem Mond, und Miriam ist der Name des Mondes."

"Ich bin froh, dich getroffen zu haben, Miriam."

Sie sah ihn verwirrt an.

"Was ist?"

"Nichts," antwortete Marry. "Nur daß ... sie nennen mich Marry Gyp. Niemand sagt Miriam."

"Niemand?" fragte er.

"Doch Josef, aber mit dem stimmt etwas nicht. Sonst glaubt niemand das mit dem Namen des Mondes. Aber du?"

Er sprach so leise, daß sie es fast nicht hören konnte. "Wer weiß, ob Sonne oder Mond zuerst geschaffen wurden? War es die Sonne, soll er mit dem Namen der Sonne gerufen werden. War es der Mond, soll sie mit dem Namen des Mondes gerufen werden." Ein schwaches Lächeln zog über die roten Lippen. "Ich bin Nicolas Noctifer. Ich glaube dir, Miriam."

Marry reichte ihm ihre Hand. Nicolas Noctifer hob sie an seine Lippen und sie kicherte nervös.

Er lächelte. "Du bist die auserwählte Jungfrau."

"Ich?" Marry kicherte wieder. Der Korb mit welken Rosen war längst vergessen. Noch niemals zuvor war ihr ein so reicher und eleganter Mann begegnet. Jetzt würde es den anderen leidtun, daß sie über ihre Pläne gelacht hatten. "Wozu bin ich auserwählt?"

"Den nächsten König zu gebären."

"Quatsch!" kicherte sie und knuffte ihn an der Schulter. "Ich bekomme kein Kind. Sag, wozu ich auserwählt bin!"

"Du glaubst mir nicht? Warte nur ab," lächelte er. "Kann ich dir etwas zu trinken anbieten?"

Er öffnete eine goldene Schranktür und holte eine Karaffe und zwei geschliffene Gläser hervor. Dunkel wie Bernstein floß es, als er einschenkte.

"Auf die Jungfrau!" Er lächelte und stieß sein Glas leicht an ihres. "Ja, denn du bist doch Jungfrau?"

"Prost!" kicherte Marry nervös. Sie kippte den Trank herunter und schleckte sich die Lippen. Es schmeckte nach Trauben und Eichenfässern, Spinnenweben und Jahrhunderten. Nicolas Noctifer lächelte und füllte die Gläser wieder. Er rieb sich mit der Hand ernst das glatte Kinn.

"Ein Monster geht um bei digeht um bei die Weisskirke. Er hält sich noch verborgen, aber nach dieser Nacht mußt du dich vorsehen."

Marry nickte und verstand kein Wort, aber nie hatte sie sich so wohl gefühlt. Es war so ... warm im Wagen.

"Was auch geschieht, eines darfst du nicht vergessen." Nicolas Noctifer beugte sich vor und sah ihr ernst in die Augen. "Deine Gedanken sind eine eigene Welt, Miriam. Du kannst selbst eine Hölle in einen Himmel und einen Himmel in eine Hölle verwandeln."

Marry nickte ohne hinzuhören. Der Trank machte sie warm und fröhlich, und sie begann, ihm ihre Zukunftspläne zu schildern. Der reiche Mann in dem rabenschwarzen Anzug füllte die Gläser und hörte aufmerksam zu.

Manchmal sah sie aus den Fenstern, aber der Nebel verbarg das meiste. Flüchtig erkannte sie das Osttor, als sie die Stadtmauer passierten und nach links abbogen. Die Welt glitt vorbei, aber im Wagen war alles still und ruhig, und sie spürte kaum den Rythmus der Pferde. Nicolas Noctifer würde wohl wissen, wohin sie wollten. Von ihr aus hätte die Reise ewig dauern können.


Der Wagen hielt. Marry war, als würde sie aus einem tiefen Schlaf geweckt, obwohl sie keinen Augenblick auch nur eingenickt war. Nicolas Noctifer lächelte beruhigend und geleitete sie hinaus.

Einen Moment lang schaute sie sich verwirrt um. Da war kein Haus, keine Lichter, kein Pflaster, nur nackte Bäume, die sich schwarz in den Himmel krallten. Sie wirbelte zurück zum Wagen, aber der war verschwudnen.

Noch immer hielt Nicolas Noctifer sie am Arm. "Willst du nicht mit hineinkommen?"

Als sie nach vorn schaute, erhob sich ein Herrenhaus im Wald. Licht strömte aus den Fenstern und Schatten von Menschen berwegten sich hinter den Gardinen. Angstvoll starrte sie Nicolas Noctifer an.

Die breiten Eichentüren öffneten sich vor ihnen, aber es waren keine Diener in der Halle. In einer mannshohen Feuerstelle brüllten die Flammen. Aus den hinteren Säälen trieben ihnen Gesprächsbrocken entgegen.

Nicolas Noctifer führte sie eine lange Wendeltreppe hinauf und durch eine weitere Tür. Blutroter Seidenssamt floß die Wände herab. Tausende von Wachskerzen spiegelten sich in Prismen, Gold und Marmor. Weingläser klirrten gegen Weingläser, Violinen ertönten und Absätze glitten &uume glitten über Marmorfliesen, aber kein Mensch war zu sehen. Marry wurde durch Saal um Saal geführt. Langsam begann sie, sich zuhause zu fühlen. Es war so ... warm im Haus.


Plötzlich stand Marry in einer dunklen Kammer. Der Schein vom Kamin flackerte über eine Ecke des Bodens. Brennende Wachskerzen umringten ein Himmelbett mit einem Baldachin aus liljenweißer Seide.

Fremde Hände berührten ihre Arme, ihren Nacken, ihre Taille. Ihr Hals schnürte sich zusammen, daß sie kaum atmen konnte. Knöpfe und Haken und Bänder lösten sich wie von selbst und die klobigen Steifeletten, der dünne Mantel, das geflickte Kleid und die Wollunterwäsche verschwanden. Nicolas Noctifer stand hinter ihrem Rücken. Sie sehnte sich danach, sich nackt an ihn zu pressen, seine Lippen zu schmecken, seine Hände ihre Brüste streicheln zu fühlen, aber sie wagte nicht, sich zu rühren.

Marry hatte gedacht, Nicolas Noctifer sei schmächtig, aber die Muskeln spielten wie Schlangen unter seiner Haut, als er sie aufhob. Sie schwebte zum Bett und versank in schäumenden Seidenwellen. Er beugte sich vor und kü&vor und küßte sie. Sein körper war grob gebaut und von zottigem Haar bedeckt, aber sein Gesicht war das eines Jünglings mit glatter Haut und Trieben von Weinranken im Haar. Sie flocht ihre Finger in seine langen, dichten Locken.

Zähne bissen fest in ihre Brustwarzen. Grobe Nägel schabten über Brüste, Bauch und Innenseite der Schenkel. Marry spreizte die Knie und öffnete sich wie eine taunasse Lilie. Nicolas Noctifer fasste hart um ihre Handgelenke, so hart, daß sie die Arme nicht bewegen konnte.

Sie hob die Hüften und stöhnte, als er eindrang, steif und hart und größer, als sie es jemals gespürt hatte. Blitze durchzuckten ihren Kopf. Sie biß ihn in die Schuler um den Schrei zu bändigen. Seine Haut schmeckte nach Meersalz und Bronze.

Die Flammen brüllten im Kamin. Nicolas Noctifer presste seinen Mund auf ihren, biß die Lippen blutig und ließ den Wein fließen. Eine Schlange schlängelte sich über ihren bebenden Körper und wand sich um ihre Brüste. Die Schlange züngelte, zischte und bedeckte die Haut mit fließendem Honig. Sie hing über einem bodenlosen Abgrund, aber statt herabzusegeln schwebte sie höher und höher.

Trommeln dröhnten in der Tiefe. Ranken blutroter Rosen wanden sich die Bettpfosten hinauf und flochten sich in den lilienweißen Baldachin. Marry wußte, daß sie für dies bezahlen mußte. Eine Blume war am schönsten, kurz bevor sie welkte. Sie wollte, die Süße und der Schmerz würden ewig dauern, aber die Blütenblätter trieben mit dem Wind, bis nur noch Dornen übrig waren.